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Ardistan und Dschinnistan I

geschrieben von Sabine 
Re: Ardistan und Dschinnistan I
02. November 2006 14:56
Hallo zusammen!

So, jetzt gibt es auch die von mir schon angekündigten ersten Anmerkungen zur Leserunde. Immerhin habe ich es mittlerweile schon auf Seite 146 geschafft. winking smiley

Doch fangen wir mal so ziemlich am Anfang an: diese Abendstimmung mit KBN, Marah Durimeh und den anderen oben auf dem Söller ist immer wieder eine ganz tolle Passage. Da habe ich doch tatsächlich einen Anflug von Gänsehaut bekommen....

Was mir weiterhin aufgefallen ist, ist die Tatsache daß Halef hier doch wieder ganz schnell zum "kleinen" Diener mutiert, der seinem Sihdi in sehr vielen Belangen nicht gewachsen ist und KBN in gewisser Hinsicht wieder so ein wenig zum alleskönnenden Helden der Reiseerzählungen wird, der alles kann und der auch der einzige ist der den Krieg zwischen Ardistan und Dschinnistan verhindern kann. Finde ich persönlich etwas schade.

Diese Episonden mit Smihk find ich ja einfach nur lustig. Aufgefallen ist mir dabei daß unser Karle des Pferd (kann man das Vieh als solches nach DER Beschreibung überhaupt so bezeichnen? smiling smiley) ein klein wenig vermenschlicht, indem er in seiner Beschreibung beispielsweise von listigen Geheimpolizistenäuglein redet.

Sabine

Re: Ardistan und Dschinnistan I
02. November 2006 16:48
Quote

Was mir weiterhin aufgefallen ist, ist die Tatsache daß Halef hier doch wieder ganz schnell zum "kleinen" Diener mutiert, der seinem Sihdi in sehr vielen Belangen nicht gewachsen ist und KBN in gewisser Hinsicht wieder so ein wenig zum alleskönnenden Helden der Reiseerzählungen wird, der alles kann ... Finde ich persönlich etwas schade.

Altersbedingt, Tja ... Find' ich auch schade. Karl May damals sicherlich auch.

Es geschieht ja auch irgendwie fast unmerklich. Irgendwann denkt man, nanü, da war aber früher mehr mit dem Hadschi Halef ...
Re: Ardistan und Dschinnistan I
04. November 2006 21:20
An einer Stelle im weiteren Verlauf des Buches (sowohl in der Manuskriptfassung als auch in der Buchausgabe) steht ein ganz entscheidendes Wort: innerlich:

„Aber ich erzähle bekanntlich nur Wahrhaftiges und innerlich wirklich Geschehenes und Erwiesenes.“

Das erinnert an das wunderbare Zitat aus dem Nachruf auf Karl May von Robert Müller:

»Zu meinen letzten Tiefen«, hat er einmal in einem seiner zwanglos geistigen Gespräche geäußert, »ist noch kaum jemand gereist. Ich selbst war an Abgründen und Verräterspalten. Ich war an den Grenzen des Menschlichen - ich war in den Rocky Mountains, wo nur wenige waren: in den geistigen. Ich bin auf Pfaden geklettert. Und - all das ahnen sie nicht.« Sein Lächeln war damals milde und - schlaugut. Der Einsame kam sich reich vor in seinen seelischen Klüften und Bergen.
Re: Ardistan und Dschinnistan I
04. November 2006 21:54
Auf S. 99 steht in der Manuskriptfassung plötzlich

"Der Urgaul, welcher ursprünglich Nazik und dann Smihk geheißen worden war und also höchst wahrscheinlich beide Namen führte"

Vorher hieß er hier, wenn ich richtig aufgepaßt habe, immer nur Nazik, in der Buchfassung heißt er von Anfang an Smihk.

Mir nicht erkennbar, ob es irgendeine Bewandtnis hat mit dieser doppelten Namensgebung. Seltsam. Schluderei oder tieferer Sinn ?
Re: Ardistan und Dschinnistan I
05. November 2006 09:09
Das ist sehr hübsch (Manuskriptfassung S. 114, textidentisch mit Buchausgabe):

Wir haben Gott. Wozu brauchen wir da noch einen eigenen Glauben an ihn? Wir glauben nicht an ihn, sondern wir haben ihn. Wenn Dein Vater noch lebt, wenn er wirklich und persönlich bei Dir wohnt, so glaubst Du doch nicht nur, daß Du einen Vater habest, sondern Du weißt es so genau, daß das Wort Glaube völlig ausgeschlossen ist.

Und lernen kann man, ein paar Zeilen später, auch von ihm:

Wer Frauen überzeugen will, der hat sich an ihr Herz und an die Logik der Tatsachen zu wenden und sich zu hüten, irgend etwas zu verletzen, was ihnen heilig ist. Darum hob ich mir das, was ich jetzt von ihr gehört hatte, zur späteren Beantwortung auf und sorgte dafür, daß unser Gespräch diesen doch immerhin heiklen Gegenstand nicht wieder berührte.

winking smiley
Re: Ardistan und Dschinnistan I
05. November 2006 09:12
Rüdiger schrieb:
-------------------------------------------------------
> Auf S. 99 steht in der Manuskriptfassung plötzlich
>
>
> "Der Urgaul, welcher ursprünglich Nazik und dann
> Smihk geheißen worden war und also höchst
> wahrscheinlich beide Namen führte"
>
> Vorher hieß er hier, wenn ich richtig aufgepaßt
> habe, immer nur Nazik, in der Buchfassung heißt er
> von Anfang an Smihk.
>
> Mir nicht erkennbar, ob es irgendeine Bewandtnis
> hat mit dieser doppelten Namensgebung. Seltsam.
> Schluderei oder tieferer Sinn ?

Möglicherweise gefiel ihm "Nazik" plötzlich nicht mehr und er hat das Tierchen umbenannt. Da er ja aber nie korrigiert, konnte er ja jetzt kaum das Manuskript durchhecheln und den Namen üebrall austauschen. Also fliegender Wechsel mitten im Text. smiling smiley

Steht nicht sinngemäß irgendwo, dass "Nazik" der eigentliche, ursprüngliche Name und "Smihk" nur ein "Spitzname" war?

ta

Nachtrag von den Seiten der KMG:
"Er heißt Nazik," erklärte mir der Scheik, indem er auf den Leierkasten deutete, dessen ersten Ton wir soeben zu hören bekommen hatten. "Er ist nicht der einzige, den wir haben; wir besitzen ihrer viele. Du wirst sie zu sehen bekommen."

Des Scheiks erste Frage war: "Wo ist Smihk? Ich sehe ihn nicht!"
"Wer ist Smihk?" erkundigte ich mich.
"Mein Pferd," antwortete er.


Der Scheik ritt natürlich seinen dicken Smihk oder Nazik.

Der Urgaul, welcher ursprünglich Nazik und dann Smihk geheißen worden war und also höchst wahrscheinlich beide Namen führte, bekümmerte sich jetzt weder um ...

Auch recht plötzlich.



4-mal bearbeitet. Zuletzt am 05.11.06 09:21.
Re: Ardistan und Dschinnistan I
15. November 2006 22:03
Hallo zusammen!

Nach etwas längerer Pause will ich auch nochmal ein paar Worte zur aktuellen Leserunde verlieren. Ein bißche weitergekommen bin ich nämlich nochmal (hupf)

"Sie wollen schleichen, forschen, spüren, suchen, leise, ungehört und ungesehen." Diese Aussage KBN's über die Absichten der Tschoban fand ich so schön, das mußte ich mal aufschreiben. Ist im Grunde doch eine schöne Zusammenfassung der Mayschen Reiseerzählungen, oder?

Wir hatten an anderer Stelle ja schon mehrfach die Sache mit Zufall oder nicht. Mir ist aufgefallen daß es hier ausnahmsweise nicht KBN derjenige ist der über das Thema "referiert", sondern der Zauberer der Ussul belehrt ihn. Vertauschte Rollen quasi.

Und ein sehr beliebtes Motiv ist mir auch wieder über den Weg gelaufen: May liebt es auch immer wieder Gefangene auf irgendwelchen Inseln (die immer rein zufällig zur Hand sind winking smiley) zu lassen.

Sabine

Re: Ardistan und Dschinnistan I
19. November 2006 22:17
Einige Unterschiede zwischen Manuskript- und Buchfassung betreffen nichts Inhaltliches, sondern "nur" den Stil, und erinnern in ihrer Tendenz zu Glättung und Nivellierung an spätere Bearbeitungen.

So wird z.B. aus dem originell-albernen "War dann der Knall verpufft oder der Puff verknallt" (MS-Fassung S. 196) nüchtern "War dann aber der Knall verpufft" (HKA S. 208), aus dem launigen "Ein kurzes, convulsivisches Zucken lief noch über den riesigen Körper, der sich streckte und nun fertig war mit dem Leben und mit der Rache" (MS-Fassung S. 204) wird schlicht "Ein kurzes, konvulsivisches Zucken lief über den riesigen Körper, der sich streckte, und dann war die Bestie verendet" (HKA S. 216).

Wenn das alles (es gäbe etliche weitere Beispiele, die ich nicht alle aufzählen mag) Änderungen durch die Hausschatz-Redaktion sind (die Buchausgabe erstellte May ja nicht anhand des Manuskriptes, sondern anhand der Zeitschriftenfassung !), dann fragt man sich wirklich, inwieweit wir selbst in den zu seinen Lebzeiten erschienenen Buchausgaben wirklich original Karl May lesen oder inwieweit da jeweils schon im Text herumgewurschtelt worden war. Erschreckend.
Re: Ardistan und Dschinnistan I
19. November 2006 22:25
Interessant sind auch (in beiden Fassungen) die Rückblicke auf "Durch die Wüste" (Tal der Stufen) und "Durchs wilde Kurdistan" (Dojan). Der Meister integriert ganz bewußt sein früheres Werk.
Re: Ardistan und Dschinnistan I
26. November 2006 07:25
Die Streichung längerer Passagen über manchmal mehrere Seiten durch ebenso verständnis- wie witzlose Bearbeiter fing nicht erst in Bamberg an. In der Manuskriptfassung (S. 229 f.) findet sich eine Passage über das durchaus sehr individuell geratene Basteln eines Holzpferdes durch Karl Mays „ebenso armen wie vortefflichen“ Vater, die weder in der Buchausgabe, noch in der Hausschatz-Fassung (auf den Seiten der KMG nachprüfbar) auftaucht.

Und das ist wirklich schade. In dieser sehr menschlich wirkenden Passage verliert der Vater durch die augenzwinkernd-wohlwollende Schilderung einiges von seinem Schrecken und eben auch von seiner Idealisierung, und das ist auch gut so. Der Berichterstatter wurde darüber hinaus an die ebenso witzige wie traurige Geschichte von der „Faller-Post“ (an die 45 Jahre her) erinnert, da wurde der eigne Vater beim Mogeln ertappt, die Wände des Gebäudes waren zwar richtig zusammengebastelt, aber das komplizierte Innere der Post fand sich nachträglich im Schreibtisch weggeschlossen, das hatte der große Meister, der alles konnte, nicht hinbekommen, aber tunlichst verschwiegen. Die Aufdeckung dieses Sachverhaltes hätte man nun elterlicherseits auch mit achselzuckend-selbstironischem Augenzwinkern begleiten können (wie schön hätte das sein können: man hätte es akzeptiert und vermutlich sympathisch und völlig ok gefunden, es ist eben niemand perfekt), aber nein, es wurde geschrieen und geschimpft, weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Und so reagiert man denn heuer, nachdem man damals Ungerechtigkeit und Unfairness jahrelang herunterschlucken (irgendwo müssen die Rückenprobleme ja herkommen) und als „gottgegeben“ hinnehmen musste, auf solches gelegentlich umso geharnischter und überspitzter.

Diese Privatheiten (jetzt bin ich wieder bei Karl May) sind es, unter anderem, die ich an ihm so schätze, sie sind das Salz in der Suppe und machen den vortrefflichen Kohl erst recht fett. Das sieht nun freilich der eine oder andere ganz anders, das Karl May –Handbuch fällt mir ein, da steht irgendwo wörtlich etwas von „quälenden Privatheiten“, sowas merk’ ich mir über Jahre, mal eben nachgucken, ich glaube bei Band 26 oder 27, nein, 29, der Herr Kalka war’s, auch das glaubte ich noch in Erinnerung zu haben; ja, wenn’s die Intellektuellen nicht gäbe, man müsste sie erfinden, und sei’s nur zu Unterhaltungszwecken.

winking smiley
Re: Ardistan und Dschinnistan I
30. November 2006 11:09
"Ich wurde von verschiedenen Seiten gefragt, warum mein Stil und meine prägnante, sachgemäße und fachmännische Ausdrucksweise im "Mir" so außerordentlich verschandelt und gar nicht wieder zu erkennen sei. Das Lesen errege stellenweise gradezu _stilistischen Ekel_ und man merke, daß ein gutes, schmackhaftes Fleisch vom Koch _ganz gründlich verdorben sei_. [...] ...schlug ich im Manuscripte nach. Was ich fand, war geradezu _himmelschreiend_ und _empörend_." (Karl May an Otto Denk, 1909)
Re: Ardistan und Dschinnistan I
01. Dezember 2006 11:38
Ein schönes, kleines und noch relativ harmloses Beispiel für verständnisfreie Verschandelei und Verderberei ist die Stelle "dem Hochmuthe der Aeltesten eine abwärts steigende Bewegung zu ertheilen" (MS-Fassung S. 322), bei der schon im "Hausschatz" aus "eine abwärts steigende Bewegung zu erteilen" simplifizierend "einen Dämpfer aufzusetzen" wird. Nun sehe ich zwar regelrecht vor meinem geistigen Auge, wie ein zackig-schneidiger, die Beschränkung seines Horizontes für allgemeingültiges Maß haltender und von keinerlei Selbstzweifeln angekränkelter Diamantenverschleifer oder Verschleiferei-Befürworter solches mit etwa den Worten "ist das gleiche, aber besser ausgedrückt" kommentiert und gebe auch durchaus zu, daß die Sache mit der abwärts steigenden Bewegung sowohl etwas verschroben als auch, sagen wir, schräg klingt, indes: vermutlich ganz bewußt hat Karl May sich hier so, wie heißt es so schön, abseitig ausgedrückt. Die Realität ist gelegentlich, wenn man denn genauer hingucken mag, etwas komplizierter als einfache Formulierungen es auszudrücken vermögen. Die Formulierung der Hausschatz-Redaktion beschreibt eine Aktion, Dämpfer aufsetzen und fertig, Mays Formulierung beschreibt eben keine Aktion, sondern die Auslösung eines Prozesses, das ist etwas ganz anderes, aber eben genau das, was er, psychologisch einfühlsam, wahrnimmt und anschaulich mitteilen will.

("Kommense mit oder soll ich mitkommen ?" - Werner Finck)

Ich gebe ja zu, ich habe gestern und heute gut sechzig Seiten Wollschläger gelesen, Von Sternen und Schnuppen I, Wallstein-Verlag. Das mag prägen, da kriegt man wieder verstärkt ein Gefühl für Feinheiten, fürs Differenzieren, für geschärften Sinn und wache [sprachliche] Achtsamkeit, jenseits fatalen sogenannten gesunden Volksempfindens. Wollschläger läßt in seinen Texten auch sehr schön deutlich werden, was er von redaktioneller Glätterei und Verständlichmacherei für jedermann hält: gar nichts, daß Erfolg niemals Maßstab für Qualität sein kann und daß Hochliteratur, wie ja auch etwa z.B. höhere Mahematik oder Physik, immer zwangsläufig und naturgemäß in gewisser Weise elitär war, ist und bleiben wird.

*

Eine längere Passage über Schutzengel (im weitesten Sinne) steht noch in der Hausschatz-Fassung, fehlt aber in der Buchausgabe, das also eine Bearbeitung durch Karl May selber. Man muß also schon bei diesen frühen Fassungen immer unterschieden, was ist eine redaktionelle Änderung, was von Karl May selber. Nicht immer ist das freilich erkennbar, wer weiß, was in Buchausgaben aus seinen Lebzeiten, zu denen wir die Manuskripte nicht vorliegen haben, schon alles geändert ist.



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 01.12.06 13:59.
Re: Ardistan und Dschinnistan I
21. Dezember 2006 18:01
Auch nicht übel:

"Die buchhändlerische Gepflogenheit, den neuen Jahrgang der Zeitschriften nicht am ersten Januar, sondern am ersten Oktober zu beginnen, hat Abd el Fadl und mich grad da überrascht, wo wir hinter Hadschi Halef herjagten, um ihn einzuholen. Da aber ein fest in den Bügeln stehender Erzähler sich selbst durch so bedeutende chronologische Verschiebungen nicht aus dem Sattel werfen läßt, so mag die Störung einflußlos an uns vorübergehen. Ich erzähle einfach weiter."

Steht so in der Manuskript- und auch noch in der Zeitschriftenfassung.

Da wird es nebenbei und locker vom Hocker recht deutlich: es geht nicht um "Korrektheit", sondern um Bilder, Gleichnisse, Eingebungen, Phantasie und Kreativität.
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