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Der verlorne Sohn

geschrieben von Rüdiger 
Re: Der verlorne Sohn "revisited"
15. März 2006 22:34
Hach, welch schönes Beispiel für Überinterpretation. Der Mann, der in den Nachrichten den 2. Band vom "verlorenen Sohn" suchte, suchte eigentlich den ersten (Druckfehler). Nunja: Er hat jetzt beide.

Vor Schreck habe ich gleich mal einen Blick in meinen Reprint geworfen. Die bei Dir fehlenden Seiten sind drin. Puuuh.
Re: Der verlorne Sohn "revisited"
05. April 2006 21:37
Dann will ich mal mit dem Monolog beginnen, vielleicht hört ja jemand zu (liest jemand mit) winking smiley

Am Anfang des dritten Bandes wird es regelrecht atemberaubend (wenigstens für mich).
Es werden zwei Männer aus dem Zuschthaus entlassen, der eine begnadigt mit "Vertrauenszeugnis", der andere nach voller Verbüssung der Strafe mit anschliessender Polizeiaufsicht.
Beides kann in den Biografien über May nachgelesen werden.
Sehr schön ist auch die Charakterisierung des "gerechten" Zuchthausdirektors, auch das hat's ja gegeben (kann u.a.in den entspr. Beiträgen Plauls in den JBKMG aus den 70'ern nachgelesen werden).
Als nächstes taucht dann auch noch der wohlmeinende "Pathe" auf.

Und dann, ja dann ...
kommt die Geschichte mit der berühmt, berüchtigten Taschenuhr, alt, wertlos, sollte eigentlich an einem Nagel hängen; aber sie wird bei einem der Entlassenen in der Hosentasche gefunden. Und zwar durch Gensdarmen, die den Deliquenten in einer Gastwirtschaft durchsuchen und anschliessend arretieren.

Was May sich da "von der Seele" geschrieben hat, war wohl Selbsttherapie.

Und da regt man sich anderen Orts darüber auf, dass er die reale Geographie nicht richtig beschrieben hätte. Nein, für die wirkliche Landschaft hat er sich weniger interessiert, dafür mehr für die Höhen, Tiefen und Schluchten in seinem Inneren.

Helmut
Re: Der verlorne Sohn "revisited"
05. April 2006 21:55
<<Dann will ich mal mit dem Monolog beginnen, vielleicht hört ja jemand zu (liest jemand mit)<<
Hallo Helmut!

Ich habe dann eben ganz entschlossen zum ersten Band gegriffen (so ganz ohne näheren oder weiteren Zusammenhang wollte ich denn doch nicht), wenn Du dir in aller Ruhe Zeit lässt hole ich Dich vielleicht noch ein winking smiley
Re: Der verlorne Sohn "revisited"
15. April 2006 16:56
Ich bin jetzt am Ende des dritten Bandes angelangt, allerdings immer noch bei den "Sklaven der Schande".
In diesem Band werden allerdings m.M. nach schon "komposistorische" Mängel Mays deutlich sichtbar.
Da wird die Geschichte der "Auguste Beyer" wiederholt (allerdings heisst sie jetzt "Laura Werner") nur das Ende ist anders. Offensichtlich hat er die "Auguste" einfach vergessen.
Ausserdem häufen sich da auch die "Motivwiederholungen", sehr häufig gibts die Geschichte "alter reicher Lüstling macht sich an armes reizendes Mädchen ran", allerdings mit unterschiedlichem Ausgang.
Die "Theatergeschichte" finde ich wiederum sehr hübsch, nur der Schluss ist mir zu klamaukhaft angelegt. Er entspricht einfach nicht meinem Sinn für Humor.

Es ist halt eben nur (allerdings doch noch gute) Kolportage.

Helmut
Re: Der verlorne Sohn "revisited"
20. April 2006 08:45
Auch solche netten kleinen Freundlichkeiten stehen im Theater-Teil (Band 75 !) im ?Verlornen Sohn?:

»Das Publicum?« fragte der Kammerdiener in höhnischem Tone. »Wen oder was denken Sie sich denn unter diesem berühmten Publikum, mein verehrtester Herr Holm?«
»Nun, die Gesammtheit der Zuschauer.«
»Schön! Und Sie meinen wohl, daß diese Gesammtheit ein Urtheil, eine Stimme habe?«
»Natürlich.«
»Da irren Sie sich sehr, junger Mann. Man hört, daß Sie noch jung sind und sich erst Erfahrung zu sammeln haben.«
»Aber man spricht und schreibt doch von der Stimme des Publikums!«
»Das ist Larifari; glauben Sie es mir. Das Publikum ist ein willenloses, urtheilsloses - Ungeziefer!«
»Hm! Drücken Sie sich da nicht ein wenig zu kräftig aus, geehrter Herr?«
»Nein. Die Stimme des Publikums ist stets eine gemachte. Der Pöbel ist stets unselbständig; er wird geleitet. Ein einziger kluger und willensstarker Character zwingt der ganzen Menge seine Meinung auf, ohne daß diese Menge es nur bemerkt. Das Publicum schwatzt nach, was ihm dictirt oder soufflirt wird.«

*

Und so ist praktischerweise (freie Manipulation für freie Bürger) auch Beifall käuflich:

»Haben Sie bereits mit dem Chef der Claqueurs gesprochen?«
»Nein.«
»So holen Sie das schleunigst nach.«
»Ist denn die Claque hier so gut organisirt, daß man sie zu fürchten hätte?«
»So vortrefflich, daß man sehr mit ihr zu rechnen hat.«
»Was für ein Mann ist der Chef?«
»Ein höchst gefälliger Herr, der aber zu rechnen versteht.«
»Liebenswürdig?«
»Ja. Er liebt die Schönheit, das Gold aber noch mehr.«
»Hat er bestimmte Gratificationssätze?«
»Gewiß. Bei ihm giebt es feste Preise.«
»Wenn man diese erfahren könnte!«
»Ich habe seinen Tarif da. Auf demselben befindet sich auch seine Adresse. Wünschen sie das Verzeichniß?«
»Ja, bitte.«
Er zog ein Schubfach aus einem Tischchen und reichte ihr ein bedrucktes Papier hin. Dieses enthielt die Überschrift:

»Preise der Beifallsbezeugungen am hauptstädtischen Theater:
Und dann begann das Verzeichniß:
»Einmaliges Händeklatschen pro Person 10 Kr.
Beifälliges Nicken des Kopfes " " 10 Kr.
Lauter, wohlgefälliger Seufzer " " 15 Kr.
Vergnügtes Stöhnen " " 15 Kr.
Staunendes Emporfahren " " 20 Kr.
Lautes »Ach« oder »Oh« " " 30 Kr.
So lief das Verzeichniß fort bis zum
Sensationelles in Ohnmacht fallen pro Person 5 Gldn.
Vor Begeisterung die Krämpfe bekommen " " 10 Gldn.
Und am Schlusse fand sich die Bemerkung:
»Die Preise sind nach einer Person berechnet. Je mehr Claqueurs
thätig sind, desto höherer Rabatt wird bei sofortiger Baarzahlung bewilligt. Hier nicht ständige Künstler haben kein Anrecht auf diese billigen
Preise und müssen nach einer besonderen Vereinbarung zahlen.«
Re: Der verlorne Sohn "revisited"
20. April 2006 09:16
Besonders schön finde ich "sensationelles in Ohnmacht fallen". Klatsch der Aufprall auf dem Boden dann besonders laut oder wie?? (hupf)
Re: Der verlorne Sohn "revisited"
20. April 2006 11:49
Siehste, Rüdiger, es geht doch noch winking smiley .

Ich wusste doch, dass dies an der Stelle von Dir kommt.

(hupf)

Helmut
Re: Der verlorne Sohn "revisited"
20. April 2006 12:28
Sorry fuer den "Alleinunterhalter" in dieser Leserunde. Ich hab auch mitgelesen (Online) hab aber leider mein Bookmark mit der Festplate meines letzten Laptops verloren confused smiley

...und danach keine Zeit gefunden wieder einzusteigen. Die Theaterepisode hatte ich aber bereits hinter mir, i.e. ich versuche mit dem fuenften Band wieder einzusteigen, sobald die Runde soweit ist...

TT
Re: Der verlorne Sohn "revisited"
26. April 2006 11:12
Also, ich bin jetzt auch schon mittendrin im 5. Band ("Die Sklaven der Ehre") und habe auch schon das erste Kapitel von den "krachenden Stammbäumen" gelesen.
Ich muss feststellen, dass da bei mir schon einiges an Spannung verloren gegangen ist. Das ist jetzt einfach ein "Kriminalroman" geworden.
Die Schilderung der (angeblichen) Nöte und des "Elends" (Ehrverlust u.ä.) der Reichen und Adeligen ist m.E. meilenweit entfernt von der Schilderung der realen Not und des wirklichen Elends der vorherigen Bände. Das konnte er wohl offensichtlich (und auch verständlicherweise) eben nicht so mitempfinden.

Helmut
Re: Der verlorne Sohn "revisited"
26. April 2006 13:18
Quote

Das konnte er wohl offensichtlich (und auch verständlicherweise) eben nicht so mitempfinden.

Das (der Eindruck beim Lesen) geht mir vergleichsweise ähnlich bei ?Aqua benedetta? und ähnlichem, da merke ich, dass das eigentlich seine Welt nicht ist, bei den kleinen, einfachen Leuten fühlt er sich sympathischerweise offensichtlich wesentlich wohler und schreibt dann auch viel lockerer und netter.



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 26.04.06 13:19.
Re: Der verlorne Sohn "revisited"
04. Mai 2006 18:04
Der 6. Band, bei dem ich jetzt angekommen bin, liest sich bis jetzt allerdings für mich nur noch wie ein überflüssiges Anhängsel, nur geschrieben um (noch) mehr Zeilen zu schinden.
Die (bösen) Verbrecher sind gefangen, brechen aus, werden wieder gefangen ...

und um wieder mal Arno Schmidt (sinngemäß) zu zitieren, das übrig gebliebene Personal wird "paarweise zum Traualtar getrieben".

Helmut
Re: Der verlorne Sohn "revisited"
05. Mai 2006 06:32
Guten Morgen!

Ohne nachzuschlagen habe ich als Arno-Schmidt-Formulierung in Erinnerung, dass "alle übrigen Beteiligten gnadenlos paarweise zum Altar getrieben" werden, wobei mir insbesondere das "gnadenlos" gefallen hat. (Ich kann mich jetzt auch irren, ich weiß gar nicht mehr, wann ich das zum letzen Mal gelesen habe.)

Das Ende (vom Verlornen Sohn) mit der Massenhochzeit und der Kaskadierung von Adelstitel-Verleihungen empfand ich schon immer als kitschig und peinlich. Aber Roman-Abschlüsse waren in der Regel nicht die starke Seite von Karl May. Bei den Münchmeyer-Romanen passt eigentlich nur der Schluss vom "Weg zum Glück" zum Rest des Romans. Die anderen finde ich eher "daneben" (Maskenball bei Waldröschen, der mehrfache und inkonsistente Schluss-Ansatz beim Ulanen, Empfang beim Großherzog in DHDH).

Rajo
Re: Der verlorne Sohn "revisited"
05. Mai 2006 08:15
Dieser Maskenball im WALDRÖSCHEN hat nun aber, m.E. und mit Verlaub, einen tieferen Sinn.

Es ist zwar mittlerweile etwas abgedroschen, aber das ist dann halt mal so:

"Wenn Ihr's nicht fühlt, Ihr werdet's nicht erjagen".

*

Doch, da fällt mir noch eine kleine Erjage-Hilfe ein, von Arthur Schnitzler:

"Es fließen ineinander Traum und Wachen,
Wahrheit und Lüge. Sicherheit ist nirgends.
Wir wissen nichts von andern, nichts von uns;
Wir spielen immer, wer es weiß, ist klug."

winking smiley

*

"Gnadenlos" in dem Zusammenhang beim Arno Schmidt ? Wirklich ? Kann ich kaum glauben, klingt so platt. Ich guck' nach.
Re: Der verlorne Sohn "revisited"
05. Mai 2006 11:42
Was den Schluß vom ?Sohn? betrifft, stimme ich freilich zu, das ist ein aufgesetzter Fremdkörper und passt überhaupt nicht zu dem sehr sozialkritischen Roman. Vermutlich ein Zugeständnis an Verleger und/oder Publikum.
Re: Der verlorne Sohn "revisited"
05. Mai 2006 12:41
Rüdiger schrieb:
-------------------------------------------------------
> Dieser Maskenball im WALDRÖSCHEN hat nun aber,
> m.E. und mit Verlaub, einen tieferen Sinn.
>

Das mag mir damals, so vor etwa 30 Jahren, als ich das Waldröschen zum ersten Mal im Urtext gelesen habe, ja durchaus entgangen sein. Und seitdem habe ich zwar viele Teile, aber nicht mehr das Werk en bloc gelesen. Ist aber ein interessanter Hinweis, über den ich mal nachdenken werde.


> *
>
> "Gnadenlos" in dem Zusammenhang beim Arno Schmidt
> ? Wirklich ? Kann ich kaum glauben, klingt so
> platt. Ich guck' nach.


Ja, ja, man soll eben nicht aus dem Gedächtnis zitieren. Auf den sehr treffenden Verdacht von Rüdiger hin fiel mir sofort ein, dass es vermutlich "erbarmungslos paarweise" hätte heißen sollen. Da ich "Sitara" nicht hier habe, habe ich mal nach dieser Kombination gegooglet und bin bei einem Posting von Waukel in einem der Paralleluniversa gelandet
[karl-may-magazin.de]

"...während es früher bei May meist so war, daß z.B. die Münchmeyereien das bekannte Übermaß an Schluß haben, (wo auf den letzten Seiten sämtliche Beteiligten erbarmungslos-paarweise zum Altar getrieben werden);..."

Nun mag der inhaltliche Unterschied von gnadenlos und erbarmungslos nicht so gewaltig sein, besser formuliert ist das Original natürlich allemal.

Rajo
Re: Der verlorne Sohn "revisited"
05. Mai 2006 13:10
Nicht so gewaltig, das stimmt schon halbwegs, aber Erbarmen und Gnade ist durchaus ein Unterschied, auch in dem Arno Schmidtschen Satz.

"erbarmenbringende Weihnachtszeit" ?

"Es ist zum Gnädigsein" ?

winking smiley

(Aber ich darf nicht zu kritisch sein, sonst schimpft der Wolfgang Hermesmeier mit mir, weil der immer so unkompliziert ist)

winking smiley
Re: Der verlorne Sohn
05. Mai 2006 13:43
Schön weiter differenzieren üben, gell. Der Wolfgang Hermesmeier, der schüttelt nur den Kopf ... innerlich und äußerlich - und manchmal mit den Fingern auf der Tastatur. Aber schimpfen? Nee. Das tut der nicht, kann der gar nicht. Bei rodger the brain würde er sich auch niemals nicht trauen. Neinnein.
Re: Der verlorne Sohn
05. Mai 2006 14:04
Quote

kann der gar nicht

Vorsicht, Zitaten-Rudi hat noch alte Mails.

winking smiley
Re: Der verlorne Sohn
05. Mai 2006 15:09
Diese "alten Mails" stammen bestimmt noch aus Zeiten, da ich glaubte, noch was bewegen zu können beim Zitaten-Rudi. Mittlerweile weiß ich ja, dass da Hopfen und Malz ... Gott erhalt's.
Re: Der verlorne Sohn
05. Mai 2006 15:22
Das kommt darauf an mit dem Bewegen-können. Wenn ich etwas falsch gemacht oder falsch gesehen habe, sehe ich das schon ein, wenn man mir das einigermaßen vernünftig vorträgt. Insofern, Bewegen ist möglich. Wenn mir einfach eine m.E. falsche Sichtweise oder Meinung übergestülpt werden soll, dann klappt das nicht, und dann wird auch nichts bewegt.

Aber wir sollten zum Thema zurückkommen, der verlorne Hopfen, äh Sohn.
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